Lyrik allgemein
Was ist Lyrik?
Lyrik gehört neben Epik und Dramatik zu den 3 Gattungen der Literatur. Diese subjektivste aller Gattungen setzt meist das Vorhandensein eines lyrischen Ichs oder eines Gedichtsprechers als Medium voraus, durch das es den Leser anspricht.
Der Begriff Lyrik stammt vom griechischen „Lyra“ (= Leier) ab, was mit der Lyra begleitete Gesänge meinte. Bei den Griechen bestand Lyrik vorwiegend aus festlichen (Chor-
- Bildhaftigkeit
- Besondere sprachliche Ausdrucksmittel
- Klangreichtum, Stimmungshaftigkeit und Rhythmus-
Betontheit, - Assoziationsreichtum
- Aus-
bzw. Ansprechen von Empfindungen - Lyrischer Sprecher
Als freie Rhythmen bezeichnet man reimlose, metrisch ungebundene Verse mit beliebiger Silbenanzahl und unterschiedlich vielen Hebungen und Senkungen, die dennoch einen bestimmten Rhythmus aufweisen. Im Unterschied zur Prosa sind Korrespondenzen in der Verteilung der Hebungen erkennbar. Freie Rhythmen erscheinen in Gedichten ohne feste Strophenform, die Verse können aber dennoch in Versgruppen gegliedert sein. Bei gleicher Länge der Gruppen spricht man dann von einer Gliederung in Scheinstrophen.
Als freier Vers werden in der Verslehre Formen des Verses bezeichnet, die auf jegliche metrische und klangliche Bindung verzichten. Er entwickelte sich im 19. Jh. und ist die seit dem 20. Jh. in der Lyrik dominierende Versgattung (s. auch Konkrete Poesie oder Nonsens-
Natürlich kann und will ich mich als Hobby-
Um es mit Wilhelm Busch zu sagen:
Oh, wie beglückt ist doch ein Mann
Wenn er Gedichte machen kann!
(Sein ganzes Gedicht s.u.)
Es folgen zunächst zwei moderne Lyriktexte, die zeigen, welch ungewöhnliche Ausdrucksformen von heutigen LyrikerInnen gewählt werden. Danach folgt das wunderbare Gedicht von Wilhelm Busch.
Weitere Gedichte finden sie auch unter Alltags-
Maren Kames (2013)
O
( ) Finde mich, auf der Oberfläche des Planeten liegen, die Knie angewinkelt,
und der Wind fährt mir unter den Rücken, in den Mund und zwischen die Beine und der Wind sagt mir, wo mein Körper aufhört und die Luft anfängt, die ganze Luft, und unter mir das submarine Schimmern, der Himmel ist eine relativ weitläufige Angelegenheit, er muss hier gleich in der Nähe sein, aber eine Verbindung kommt momentan nicht zustande.
Ich bin ein System aus Rohren, vielleicht, die aneinander beginnen und ineinander enden,
durch die der Wind geht, sonst nichts.
Michael Lentz
Vielleicht ist es so, vielleicht ist es aber auch nicht so
(1987)
(Anagrammatische Sprechakt-
vielleicht ist es so, vielleicht ist es aber auch so nicht.
vielleicht. so ist es. vielleicht. aber ist es auch? so nicht.
vielleicht. ist es so? vielleicht. ist es aber auch so nicht.
vielleicht ist es. so! vielleicht ist es. aber. auch. nicht. so.
vielleicht. ist es so, vielleicht. istesaberauch nicht so.
vielleicht ist es so, vielleicht ist es aber auch nicht so.
vielleicht, vielleicht! so ist es, aber auch so ist es nicht.
vielleicht-
leicht, soviel ist es, ist es aber vielleicht auch nicht. so
leichtes ist so viel, aber vielleicht eist auch so nichts.
vieles eist so leicht, aber vielleicht ist auch so nichts.
so. vielleicht ist es viel, aber auch so ist es nicht leicht.
soso, aber ist es vielleicht auch vielleicht? ist es nicht?
so ist es viel, so ist es leicht, vielleicht aber auch nicht.
so leicht ist es nicht! vielvielleicht ist es aber auch so.
ist es auch viel so, leicht so, aber leicht ist es nicht viel.
aber es ist so. auch vielleicht ist vieles nicht so leicht.
ist es vielleicht auch bar so, vielen ist seicht so leicht.
vielleicht ist es so, vielleicht ist es aber so auch nicht.
so es auch nicht ist, vielleicht, ist es aber vielleicht so:
so es aber vielleicht so ist, ist „vielleicht“ auch nicht „es“.
so es aber vielleicht so ist, ist es auch nicht „vielleicht“.
seit leichtes so viel ist, vielleicht aber auch so nichts,
ist es nicht so leicht, aber auch so ist es vielleicht viel.
aber es ist so. auch vielleicht ist viel nicht so leicht. es
ist aber so es. vielleicht ist es auch nicht so vielleicht.
so es aber vielleicht nicht ist, ist es vielleicht auch so.
auch so ist es, nicht viel, aber es ist vielleicht leicht. so!
so viel, so leicht; ist es, ist es vielleicht aber auch nicht.
es ist soviel licht. vielleicht eist es aber auch nicht so.
leicht ist es viel so, aber auch viel ist es nicht so leicht.
Mein Fazit: Schwer ist leicht was
Wilhelm Busch (1874)
.
Wie wohl ist dem, der dann und wann
Sich etwas Schönes dichten kann.
Der Mensch, durchtrieben und gescheit
Bemerkte schon zu alter Zeit
Dass ihm hienieden allerlei
Verdrießlich und zuwider sei
Die Freude flieht auf allen Wegen
Der Ärger kommt uns gern entgegen
Gar mancher schleicht betrübt umher
Sein Knopfloch ist so öd und leer
Für manchen hat ein Mädchen Reiz
Nur bleibt die Liebe seinerseits
Doch gibt’s noch mehr Verdrießlichkeiten
Zum Beispiel lässt sich nicht bestreiten
Die Sorge, wie man Nahrung findet
Ist häufig nicht so unbegründet
Kommt einer dann und fragt: „Wie geht’s?“
Steht man gewöhnlich oder stets
Gewissermaßen peinlich da
Indem man spricht: „Nun, so lala!“
Und nur der Heuchler lacht vergnüglich
Und gibt zur Antwort: „Ei, vorzüglich!“
Im Durchschnitt ist man kummervoll
Und weiß nicht, was man machen soll
Nicht so der Dichter. Kaum missfällt
Ihm diese alt geback‘ne Welt,
So knetet er aus weicher Kleie
Für sich privatim eine neue
Und zieht als freier Musensohn
In die Poetendimension
Die fünfte, da die vierte jetzt
Von Geistern ohnehin besetzt
Hier ist es luftig, duftig schön
Hier hat er nichts mehr auszusteh‘n,
Hier aus dem mütterlichen Busen
Der ewig wohlgenährten Musen
Rinnt ihm der Stoff beständig neu
In seine saub‘re Molkerei.
Gleichwie die brave Bauernmutter
Tagtäglich macht sie frische Butter
Des Abends spät, des morgens frühe
Zupft sie am Hinterleib der Kühe
Mit kunstgeübten Handgelenken
Und trägt, was kommt, zu kühlen Schränken
Wo bald ihr Finger, leicht gekrümmt
Den fetten Rahm, der oben schwimmt
Beiseite schöpft und so in Masse
Vereint im hohen Butterfasse.
Jetzt mit durchlöchertem Pistille
Bedrängt sie die geschmeid‘ge Fülle.
Es kullert, bullert, quietscht und quatscht
Wird auf und nieder durchgematscht
Bis das geplagte Element
Vor Angst in Dick und Dünn sich trennt
Dies ist der Augenblick der Wonne
Sie hebt das Dicke aus der Tonne
Legt’s in die Mulde, flach vom Holz
Durchknetet es und drückt und rollt’s
Und sieh, in frommen Händen hält se
Die wohlgerat‘ne Butterwälze.
So auch der Dichter. – Stillbeglückt
Hat er sich was zurechtgedrückt
Und fühlt sich nun in jeder Richtung
Befriedigt durch die eigne Dichtung
Doch guter Menschen Hauptbestreben
Ist, andern auch was abzugeben
Dem Dichter, dem sein Fabrikat
Soviel Genuss bereitet hat,
Er sehnt sich sehr, er kann nicht ruh‘n,
Auch andern damit wohlzutun
Und muss er sich auch recht bemüh‘n,
Er sucht sich wen und findet ihn
Und sträubt sich der vor solchen Freuden
Er kann sein Glück mal nicht vermeiden
Am Mittelknopfe seiner Weste
Hält ihn der Dichter dringen feste
Führt ihn beiseit‘ zum guten Zwecke
In eine lauschig stille Ecke
Und schon erfolgt der Griff, der rasche
Links in die warme Busentasche
Und rauschend öffnen sich die Spalten
Des Manuskripts, die viel enthalten
Die Lippe sprüht, das Auge leuchtet
Des Lauschers Bart wird angefeuchtet
Denn nah und warm, wie sanftes Flöten
Ertönt die Stimme des Poeten. –
„Vortrefflich!“ ruft des Dichters Freund
Dasselbe, was der Dichter meint
Und, was er sicher weiß zu glauben
Darf sich doch jeder wohl erlauben
Wie schön, wenn dann, was er erdacht
Empfunden und zurecht gemacht
Wenn seines Geistes Kunstprodukt
Im Morgenblättchen abgedruckt
Vom treuen Kolporteur geleitet
Sich durch die ganze Stadt verbreitet:
Das Wasser kocht. – In jedem Hause
Hervor aus stiller Schlummerklause
Eilt neu gestärkt und neu gereinigt
Froh grüßend, weil aufs neu geeinigt
Hausvater, Mutter, Jüngling, Mädchen
Zum Frühkaffee mit frischen Brötchen
Sie alle bitten nach der Reihe
Das Morgenblatt sich aus das neue
Und jeder stutzt und jeder spricht:
„Was für ein reizendes Gedicht!“
Durch die Lorgnetten, durch die Brillen
Durch weit geöffnete Pupillen
erst in den Kopf, dann in das Herz
Dann kreuz und quer und niederwärts
Fließt’s und durchweicht das ganze Wesen
Von denen allen, die es lesen
Nun lebt in Leib und Seel‘ der Leute
Umschlossen vom Bezirk der Häute
Und andern warmen Kleidungsstücken
Der Dichter fort, um zu beglücken
Bis dass er schließlich abgenützt
Verklungen oder ausgeschwitzt
Ein schönes Los! Indessen doch
Das allerschönste blüht ihm noch
Denn Laura, seine süße Qual
Sein Himmelstraum, sein Ideal
Die glühend ihm entgegenfliegt
Besiegt in seinen Armen liegt
Sie flüstert schmachtend inniglich:
„Göttlicher Mensch, ich schätze dich!
Und dass du so mein Herz gewannst
Macht bloß, weil du so dichten kannst!“
Oh, wie beglückt ist doch ein Mann
Wenn er Gedichte machen kann!